Foto: Wolfgang List, Stendal
Foto: Wolfgang List, Stendal

Das Vorbild

 

Eines der typischen Elemente Altmärkischer Kleinbahnen, welches mich schon lange sehr interessiert, sind die Tiefbrunnen zur Wasserversorgung der Lokomotiven. Mittels Elevator konnten diese daraus ihren Wasservorrat auffüllen. Lange schon reifte der Gedanke, dieses Vorbild ins Modell umzusetzen. So fand ich es höchst erfreulich, daß auch der Bahnhof Boock einen Tiefbrunnen hatte. Er wurde dort allerdings erst Anfang der 40er Jahre angelegt. Aufgrund der Tatsache, daß Boock fast auf halber Strecke zwischen Osterburg und Deutsch-Pretzier lag, schuf man so die Möglichkeit zum Auffüllen der Wasservorräte der Dampfloks. Dazu wurde eine Pulsometeranlage auf der Lokomotive genutzt. 

Foto: H. Löther, Halberstadt
Foto: H. Löther, Halberstadt

Modellbau

 

Im Buch über die Kleinbahn Osterburg - Deutsch-Pretzier ist ein Foto des Boocker Tiefbrunnens enthalten, dessen Qualität beim Druck allerdings sehr gelitten hat. Herr Wolfgang List stellte mir diese Aufnahme in höherer Qualität zur Verfügung, sodaß einige Details besser erkennbar waren. Auf einem zweiten Foto ist der Tiefbrunnen durch Beschneidung des ersten Foto etwas größer zu sehen. Trotzdem ließen sich nicht alle Einzelheiten bis ins Letzte klären, sodaß bei der Gestaltung des Modells viel auf Vermutung beruhte. Besonders von der Brunnenabdeckung war nur wenig zu sehen. Das Aussehen der vom Fotografen abgewandten Seiten war natürlich auch nicht erkennbar. Meine Vermutung, daß der Brunnen eine Bohlenabdeckung hatte, bestätigte Herr List. Auf Schätzungen beruht der Durchmesser und die Höhe des Tiefbrunnens. Es wurde dabei als sicher angenommen, daß er kreisrund war.

Wie das Modell herzustellen wäre, bedurfte einiger Überlegungen. Im Ergebnissen dessen wurde eine provisorische Form angefertigt, um sie mit Gips auszugießen. Basis war die runde Sperrholzplatte von einer Käsepackung. Der französische Schafskäse hatte uns zuvor gut gemundet. Den inneren Abschluß der Form bildete eine weitere Käseverpackung diesmal aus der Pappschachtel eines französischen Ziegenkäses, die in der Höhe etwas gestutzt wurde. Außen herum wurde ein Streifen Plastikmaterial gelegt. Den Zwischenraum goß ich dann mit relativ flüssig angerührtem Gips aus. Nachdem dieser weitgehend ausgehärtet und nur noch leicht feucht war, entfernte ich die äußere Form und begann den Gips zu bearbeiten. Ziel war es, den auf den zur Verfügung gestellten Fotos dargestellten maroden Zustand mit abbröckelndem Putz nachzubilden. Die Gipsschnitzerei ging mir recht zügig von der Hand, sodaß ich den leicht feuchten Zustand der Gipsmasse ausnutzen konnte, um mit wenig Kraftaufwand die erforderlichen Ritzen und Spalten zu herauszuarbeiten. Für die Ziegel wurde dann rote Farbe mit etwas weiß, einen Hauch Gelb und ein Tropfen Rostbraun vermischt. Der Putz erhielt seine Grundfarbe durch eine Mischung von Steingrau und weiß. Nun ging es an die Herstellung der Bohlenabdeckung, deren Gestaltung reine Phantasie ist. Sicher war nur, daß auf der Abdeckung Gras wuchs. Die Bohlenabdeckung enstand aus einem Stück Sperrholz, welches mit Laubsäge und Raspel in die richtige Form gebracht wurde. Die Bohlen wurden durch Einritzen der Holzplatte mit Hilfe einer Reißnadel nachgebildet. Die Farbgestaltung erfolgte mit stark verdünntem Rostbraun und extrem stark verdünntem Umbra. Als nächstes ging es um die Herstellung des Standrohres. Dessen Durchmesser konnte auch nur geschätzt werden. Verwendung fand 4 mm-Rundmaterial aus Messing. Kleines Detail am Rande - dieses Rundmaterial hatte ich mal in den 80er Jahren erstanden, ohne zu wissen, ob ich es brauchen würde. Man nahm eben als Bastler in der DDR, was man irgendwie mal brauchen konnte. Genutzt hat mir diese Strategie später noch oft. Mit Umbra wurde das Modellstandrohr nun farblich gestaltet. Ein Stück von einer Holzleiste dient als Stütze für das Standrohr. Sie wurde mit dem Cuttermesser beschnitzt und mit einer Drahtbürste malträtiert, um den maroden Zustand des Vorbilds nachzubilden. Mit verdünnter rostbrauner Farbe und einem verdünntem Gemisch schwarzer und dunkelbrauner Farbe erfolgte die Farbgebung. Die Frage nach einer Schlauchnachbildung wurde vertagt. Zunächst galt es, die Abdeckung des Brunnens weiter zu verfeinern. Vermutlich hatte sich im Laufe der Jahre Staub aus der Umgebung auf den Bohlen abgelagert. Auf dem Foto ist sicher zu sehen, daß Grasbüschel auf der Abdeckung wachsen. Also mußte es auch Erde darauf geben. Mit den üblichen Streumaterialien wurde Erde, Moose, Unkräuter und andere niedrige Vegetation nachgebildet. Die hoch gewachsenen Gräser entstanden aus Grasbüscheln der Firma Noch. Die haben einen Durchmesser von knapp unter 1 cm - zu groß also für meinen Zweck. Also wurden sie mit einem feinen Scherchen in kleine Stücke zerschnitten und aufgeklebt. Auf dem Vorbildfoto ist neben dem Standrohr etwas zu sehen, was eine Blechplatte sein könnte. Ich schnitt aus einem Stück Messingblech ein annähernd quadratisches Stück heraus und behandelte es mit Messingbeize. Vermutlich verschloß diese Blechplatte den Einstieg in den Brunnen. Ob sie mit Scharnieren zum Aufklappen versehen war, blieb im Dunkel der Vergangenheit verborgen. Ich unterstelle, daß man es sich einfach gemacht hatte, und die Blechplatte nur lose aufgelegt wurde. Am Modell wurde sie mit etwas Sekundenkleber auf der Bohlenimitation fixiert. Als Detail am Rande entstand noch ein Lattenkreuz als Stütze für den Schlauch, wenn er am Elevator angeschlossen wird. Auf einem Foto ist zu sehen, daß man beim Wassernehmen mit einem solchen Hilfsmittel arbeitete. Der Schlauch entstand aus der Stoffhülle eines alten Drahtauslösers für Fotoapparate. Mit einem Stück Spiralfeder des Drahtauslösers hatte ich in den 80er Jahren den Antrieb für das Drehgestell der 99 5904 in H0m hergestellt. Seitdem lagerte das Teil in einer meiner Grabbelkisten, bis es wieder als Materialspender dienen konnte. Mit Farbpulver und stark verdünnter dunkelbrauner Farbe wurde abschließend noch ein wenig Patina aufgetragen. In dieser Form soll der Brunnen dann eines Tages seinen Platz auf dem geplanten Bahnhof Boock in Spur 0 finden.